Das Original 1971 - 2011 Eine Erinnerung
Vor gut 41 Jahren, 1970, beendete der Industrie- Designer Thilo Oerke seine Anstellung in der Designabteilung des Hauses SIEMENS in München, Oskar-von-Miller-Ring, heute MEAG-Haus. Er machte sich selbständig und arbeitete zunächst u.a. für die Plattenspielerfirmen PE/DUAL.
München 1970
DUAL nannte sich weltmarktführender Produzent von Plattenspielern, hatte seinen Konkurrenten vor Ort, PE in St. Georgen/Schwarzwald übernommen und wollte weiter expandieren. In Überlegung stand, die bis dahin eigenständige Marke PE weiterzuführen, jedoch exklusiv in „supermodernem“ Design. Nach Vorstellung von Oerke entsprechend heute etwa Steve Jobs’ Apple Design.
Da die Dinge endlos diskutiert wurden und stagnierten, ergriff der Designer Oerke die Initiative und entwickelte auf eigene Kosten, in Eigenregie, verschiedene Prototypen von Hifi-Kompaktanlagen mit Lautsprechern, in seinerzeit brillanten Materialien, wie Acrylglas und anderen Kunststoffen.
Oerke hatte, Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, seinen Sitz in der Tür- kenstraße 28 RG in München und baute die Prototypen mit Hilfe von einst noch zahlreich vorhandenen kleinen Handwerksbetrieben, in Hinterhöfen der Max- vorstadt und Schwabing. Individualisten und Tüftler, wie es sie heute kaum mehr gibt. Abends hing man nicht selten nebenan im Jazzlokal Allotria rum, besprach neue Fertigungsmethoden und skizzierte Details auf Papierservietten.
Nachdem jedoch DUAL 1972 die Marke PE sterben ließ und für sich selbst diese Entwürfe für „viel zu gewagt“ hielt (siehe Schwarzwälder Kuckucksuhr), stellte Thilo Oerke im Olympiajahr 1972 den funktionsfähigen Prototypen mit Plattenspieler (10-Plattenwechsler), Verstärker und Lautsprechern, in einem exklusiven Einrichtungshaus neben der SIEMENS Hauptverwaltung am Wittelsbacher Platz, im Ambiente moderner Möbel, aus. Man bedenke, dass damals die Schallplatte ein noch bedeutender Tonträger war.
Die Nachfrage, auch international, bedingt durch die Olympiade ‘72, war derartig groß, dass das Gerät, da nicht umgehend lieferbar, nach Wochen aus dem Möbelhaus entfernt wurde. Auch der SIEMENS-Vorstand nebenan interessierte sich für die Anlage und ließ mehrfach nachfragen. Desgleichen eine Vielzahl sogenannte Prominente. Vor 40 Jahren erschien das Design im damaligen Zeitgeist, überaus modern und exklusiv. Siehe die Acrylglas-Zeltdächer der Olympiaanlage, auch die “Citta 2000” in München.
Verschiedene japanische Firmen wie Sharp, Sony und Hitachi, noch weit von „Global Players“ entfernt, führten daraufhin mit Oerke Kontaktgespräche über eine beratende Mitarbeit, vornehmlich für den europäischen Markt, den sie mit „High Tech“ und „Europäischem Design“ erobern wollten.
Sich in die Zeit zurückversetzend, ist zu bedenken, dass einerseits im Industrial Design eine große Aufbruchsstimmung herrschte (siehe Mondlandung etc.), andererseits jedoch, Deutschland im Bereich der Unterhaltungselektronik, mit noch über zwanzig namhaften Firmen weltführend, durch und durch konservativ war. Die Hersteller, ohne Mut und Visionen, imitierten sich gegenseitig und hielten einander, stagnierend in Schach. Allen voran, der einstmals große Pionier Max Grundig, später selbstherrlich und beratungsresistent.
Es hat dann nur wenige Jahre gedauert, bis fast alle jene Deutschen Unternehmer durch innovative Firmen aus Fernost verdrängt waren. Gleiches geschah, fast parallel, mit Deutschlands Weltmarktführung im Foto-Film-Video Bereich, für den Oerke ebenfalls tätig war.
Thilo Oerke gab dann sein Vorhaben, die Kugelanlage in Eigenregie zu fertigen, mangels genügend Kapital auf und verkaufte den Entwurf an die Firma Rosita Tonmöbel. Vision 2000 genannt, steht die Rosita-Kugel, von der ursprünglichen Ausstattung abweichend, knapp hundert Meter vom Ort der Entstehung, Türkenstraße 28 RG, entfernt, heute in der Pinakothek der Moderne in München und anderen Museen in In- und Ausland.
Die freistehende Anlage war 1970/71 für das Umfeld einer großräumigen, lichten „Wohnlandschaft“ in moderner Ausstattung konzipiert.
Die funktionsfähige Originalanlage mit 10-Plattenwechsler, Verstärker und Lautsprecherboxen befindet sich weiterhin in Besitz des Industrie-Designers Thilo Oerke. Der zögerte bisher, diese an interessierte Auktionshäuser oder Museen abzutreten, denkt aber inzwischen darüber nach, das über 40 Jahre alte, funktionierende Original zu verkaufen.
E-Mail: dto@phoe.de
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